David Denby: Große Bücher.
Eines der (zu) vielen „Bücher über Bücher“, auf Deutsch 2001 bei Goldmann erschienen. Denby schildert, wie er 30 Jahre nach seinem Studium noch einmal an die Universität geht und in den entsprechenden Veranstaltungen zusammen mit jungen Studenten die „großen Bücher“ liest; und er vergleicht seine Gefühle, Erkenntnisse und Erfahrungen mit denen, die er als junger Mensch hatte, und auch mit denen seiner jetzigen Mitstudenten.
Das ist gar nicht mal uninteressant; aber ein „Buch zum Vers“ ist es sicherlich nicht! Dafür aber, in manchen Kapiteln, ein „Buch zur Verserzählung“, denn es werden einige epische Vers-Texte besprochen. Homer bekommt sogar zwei Kapitel – eins für die Ilias, eins für die Odyssee -, Vergil und seine Aeneis füllen auch ein Kapitel; und schließlich Dante mit der Göttlichen Komödie, dem Inferno. Man erfährt zu allen Texten durchaus bedenkenswerte Dinge; ich gebe aber ein kurzes Stück aus dem Dante-Kapitel, es findet sich auf den Seiten 242 und 243:
„Eine von Shapiros Studentinnen, Francesca, eine große jungen Frau mit vollen, rosigen Lippen und wirren Locken, sprach so gut Englisch, mit einem so geringfügigen Akzent, dass ich sie kaum als Italienerin erkannt hätte. In der Abschluss-Stunde des Seminars bat sie der Professor, die einleitenden Zeilen des Inferno zu lesen, und als sie die ersten dreißig Zeilen des Canto I las, war es mucksmäuschenstill im Raum. (…) Francesca las ohne große Betonung. Sie las mit leiser, fester Stimme, leiser und flacher als ihre normale Sprechstimme, aber der Klang war unheimlich: Es war wie eine hinreißende Melodie auf einer Viola, wobei die Musik mühelos aus den ruhigen, tiefen Tönen aufstieg. Nein, das kann nicht passieren. Es kann nicht sein – dieser Moment ist zu vollkommen. Aber es passierte tatsächlich; die Studenten waren ganz still, und als sie, die Augen auf das Buch gerichtet, las, wurde ihr Sopran höher und immer höher, und die Musik von Dantes Italienisch strömte mühelos in den Raum. “
Das kann man jetzt ein klein wenig übertrieben finden in der Darstellung; aber ich nehme es als willkommene Erinnerung daran, dass Verstexte, epische oder welche auch immer, auf den Vortrag angewiesen sind; auf das laute Lesen.