Die in (27) vorgestellten Verse entsprachen zwar den metrischen Vorgaben des Verses, der hier in der Bewegungsschule vorgestellt worden ist; durch ihren Verzicht auf die möglichen Abwandlungen wirkten sie aber recht eintönig.
Friedrich Schillers berühmter „Taucher“ benutzt einen anderen Aufbau, allerdings kann sich der verwendete Vers manchmal so ausformen, dass er „unserem“ Vers entspricht, in allen Abwandlungen; von daher möchte ich zu Übungszwecken einige der schillerschen Strophen hier vorstellen! Jede von ihnen enthält einen Vers der Art „ta ta TAM ta ta TAM || ta ta TAM ta ta TAM„, rein oder in Abwandlungen (wem die nicht mehr gegenwärtig sind – bitte noch einmal nachschauen in den älteren Einträgen). Die Aufgabe an jeden, der mag, wäre: diesen Vers herauszufinden! Am Schluss werden die entsprechenden Verse dann aufgelistet. Also los!
1 Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß,
Da hebet sich’s schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ist’s, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.
…
2 Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füßen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:
…
3 Es riss mich hinunter blitzesschnell –
Da stürzt mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reißender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
Trieb mich’s um, ich konnte nicht widerstehen.
…
4 Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
„Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen.“
…
5 Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und sieht sie erbleichen und sinken hin –
Da treibt’s ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.
Es gibt durchaus noch einige mehr; aber das soll genügen. Klar ist, es kann keiner der letzten beiden Verse jeder Strophe sein – die enden immer auf einer unbetonte Silbe. Bleiben noch vier Möglichkeiten; aber da der zweite Vers stets dreihebig ist, sind es sogar nur drei Möglichkeiten. In den jeweiligen Strophen sind es diese Verse:
1 Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
ta ta TAM ta / ta TAM || ta ta TAM ta ta TAM
„Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,“ wäre von der Silbenanordnung auch passend, aber es fehlt eine Zäsur?! Nicht, dass man in einem „richtigen“ Text, der diesen Vers nutzt, nicht auch einen zäsurlosen Vers unter die gewöhnlichen, zäsurierten mischen könnte; einmal ist keinmal.
2 Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
ta ta TAM / ta ta TAM || ta ta TAM ta ta TAM
– Da kann die Zäsur sicher auch eine Silbe später gelesen werden?!
3 Wildflutend entgegen ein reißender Quell:
TAM TAM ta / ta TAM ta || ta TAM ta ta TAM
Versetzte Betonung am Anfang, die Zäsur ist um eine Silbe veschoben.
4 „Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!“
TAM TAM ta / ta TAM ta || ta TAM ta ta TAM
Einer der Verse, die es bis zum bekannten Zitat geschafft haben … Vom Versbau her aber sehr ähnlich dem vorigen?! Bei „Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:“ passt wieder die Silbenanordnung; und wieder fehlt eine Zäsur.
5 Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
ta ta TAM / ta ta TAM ta || ta TAM ta ta TAM
In dieser Strophe gibt es sogar noch eine zweite Möglichkeit: „Und er siehet erröten die schöne Gestalt“ mit fast derselben Versbewegung!
Insgesamt fünf in Kleinigkeiten unterschiedliche Verse. Eine Gemeinsamkeit haben sie allerdings auch: Schiller verzichtet in der zweiten Vershälfte auf einen Sinneinschnitt, viermal verwendet er dort ein dreisilbiges Adjektiv!