0

Erzählverse: Der Hexameter (13)

Henry Wadsworth Longfellows „Evangeline“

Ein kurzer Zwischenruf, weil ich gerade auf youtube über ein entsprechendes Video gestolpert bin! Im Englischen ist der Hexameter ja nie so richtig heimisch geworden, aber „Evangeline“ ist durchaus ein Werk von Rang. Hier der Link zum Video:

Evangeline

Und hier der gesprochene Text, es sind die ersten Verse des Epos, die Einleitung also:

 

This is the forest primeval. The murmuring pines and the hemlocks,
Bearded with moss, and in garments green, indistinct in the twilight,
Stand like Druids of eld, with voices sad and prophetic,
Stand like harpers hoar, with beards that rest on their bosoms.
Loud from its rocky caverns, the deep-voiced neighboring ocean
Speaks, and in accents disconsolate answers the wail of the forest.

This is the forest primeval; but where are the hearts that beneath it
Leaped like the roe, when he hears in the woodland the voice of the huntsman?
Where is the thatch-roofed village, the home of Acadian farmers,
Men whose lives glided on like rivers that water the woodlands,
Darkened by shadows of earth, but reflecting an image of heaven?
Waste are those pleasant farms, and the farmers forever departed!
Scattered like dust and leaves, when the mighty blasts of October
Seize them, and whirl them aloft, and sprinkle them far o’er the ocean
Naught but tradition remains of the beautiful village of Grand-Pré.

Ye who believe in affection that hopes, and endures, and is patient,
Ye who believe in the beauty and strength of woman’s devotion,
List to the mournful tradition, still sung by the pines of the forest;
List to a Tale of Love in Acadie, home of the happy.

 

Die nervige Hintergrund-Musik muss man sich einfach wegdenken; dann gefällt mir die Lesung eigentlich ganz gut. Wenn der Vortragende auch zweimal eine zusätzliche Silbe einschmuggelt, „home of the Acadian farmers“ und „strength of a woman’s devotion“ – und damit im ersten Fall sogar das Metrum bricht. Was man ihm ja auch beim „List“ der Schlusszeilen vorwerfen könnte … Aber sonst: Schön!

0

Erzählverse: Der Hexameter (12)

Über Daktylen (2)

Ein kurzer Nachtrag zu „Der Hexameter (8)“, also einige ergänzende Gedanken zum „Daktylus“.

Um 1740 fühlten sich die deutschen Dichter eingeengt vom allesbeherrschenden gereimten Alexandriner und fingen an, nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Johann Peter Uz schuf eine reimlose Strophe, in der er die eigentlich einsilbigen Senkungen des Alexandriners manchmal zweisilbig füllte, und diesen Vers dann mit einem Vierheber abwechselte. So entstand sein vielbeachteter „Frühling“, der sich später durchaus als ein Schritt auf dem Weg zum deutschen Hexameter erweisen sollte. Die erste Strophe:

 

Ich will, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besingen,
Ich will die Zierde der Auen erhöhn,
Den Frühling, welcher anitzt, durch Florens Hände bekränzet,
Siegprangend unsre Gefilde beherrscht.

 

Bemerkenswert ist nun, wie peinlich genau Uz darauf achtet, die zweisilbigen Senkungen mit dem zu besetzen, was Kauffmann (siehe „H. 8“) eine „doppelte Senkung“ nennt („es tritt keine Abstufung hervor“)!

Ich will, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besingen,
Ich will die Zierde der Auen erhöhn,
Den Frühling, welcher anitzt, durch Florens Hände bekränzet,
Siegprangend unsre Gefilde beherrscht.

Das scheint mir ein schönes Beispiel dafür, wie der Wille zur formalen Gestaltung die Sprache prägt. Die Anzahl der Wörter mit Vorsilbe ist unglaublich hoch, während die einsilbigen Präpositionen immer als einsilbige Senkung auftauchen:

Ich will, vom Weine berauscht, die Lust der Erde besingen,
Ich will die Zierde der Auen erhöhn,
Den Frühling, welcher anitzt, durch Florens Hände bekränzet,
Siegprangend unsre Gefilde beherrscht.

Manchmal steht eine solche Präposition auch als Hebung, fast nie in siebzehn Strophen aber als Bestandteil einer zweisilbigen Senkung. Eine Ausnahme:

 

Was lebt, im Wasser, auf Erd und in den ewigen Höhen;

 

Was lebt, im Wasser, auf Erd und in den ewigen Höhen;

Hier sind alle drei Arten vertreten: „lebt im“ (Präposition als einsilbige Senkung), „in den“ (Präposition als Hebung), und eben „Wasser auf“ – einer von Kauffmanns „echten Daktylen“.

Es spricht für den Dichter Uz, dass sich im Gedicht selbst diese gestalterischen Überlegungen überhaupt nicht bemerkbar machen – die Sprache wirkt überall völlig natürlich, obwohl durch die Beschränkung auf diese eine Daktylen-Art sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten wegfallen.

Schlussendlich hat sich Uz, wie bekannt, aber nicht durchgesetzt mit dieser Form der zweisilbigen Senkung. Die anderen Arten liegen zu nahe und sind zu sehr Bestandteil des Deutschen, als dass es Sinn machen würde, sie auszuschließen. Gerade die „echten Daktylen“, die als zweite unbetonte Silbe eine Präposition haben, haben ja auch einen großen Vorteil: Durch sie schneiden sich im allgemeinen metrische Einheit und Sinneinheit, was den Vers lebhaft hält. Ein Hexameter-Beispiel, der Beginn von Hölderlins Archipelagus:

 

Kehren die Kraniche wieder zu dir, und suchen zu deinen
Ufern wieder die Schiffe den Lauf? (…)

 

Kehren die / Kraniche / wieder zu / dir, || und / suchen zu / deinen

Nun ist „zu“ ja nicht eben ein schweres Wort, und der Sinneinschnitt ist auch sehr leicht – aber es ist eben doch eine Form der Gestaltung, die sinnvoll ist und bei Uz nicht möglich wäre.

1

Erzählverse: Der Blankvers (19)

Nach 1870 sind in Deutschland viele Versepen und -erzählungen geschrieben worden, und viele davon waren sehr erfolgreich; und trotzdem sind diese „Kaiserreich-Texte“ heute fast vollständig vergessen und auch nicht wirklich lesbar. Das liegt, denke ich, an diesem Überzug aus Kitsch und Pathos, in den sich oft genug noch ein wenig Nationalismus mischt – damals verständlich, heute verdächtig. Dieser Überzug ist mal stärker, mal schwächer, aber da ist er eigentlich immer.

In Friedrich Wilhelm Webers „Goliath“ ist das nicht anders. Aber darüber hinaus bekommt man im ersten Kapitel auch noch das wirkliche Leben aus dieser Zeit geschildert in einer Art einleitender Erzählung; was Grund genug ist, da einmal reinzulesen.

 

Beim roten Freunde

Gedenkst du, lieber Magnus, noch des Tags –
Im Winter war’s; die hagren Spreeundinen
Erstarrten schier in ihres Eispalasts
Bleigrauer Dämmerung und frischten auf
Bei reichlichem Gespräch und manchem Seufzer,
Wie arme Fräulein tun, zu ihrem Putz
Des letzten Sommers halbverblichnen Staat,
Indes am Tor im weiten winddurchrauschten
Tiergarten die Dyrade, warm umhegt
Vom zarten Flaum des Schnees, gewiegt vom Nord
In Eich‘ und Föhre schlief und träumte, träumte
Vom jungen Lenz und seinem Liebeswerben;
Gedenkst du noch des Tags, mein lieber Magnus,
Als uns zum ersten Mal der biedre Freund geladen?
Der rote hieß er noch im engen Kreis,
Weil lichtes Gold ihm einst das Haupt umspann:
Zu bleichem Silber war es längst entwertet,
Doch um so reicher war sein kluger Kopf
An feinem Witz und leuchtenden Gedanken.
Der alte Herr, ein lebend Wörterbuch,
Ein Schalk wie Reineke, doch sonder Arg,
Weichherzig wie ein Kind und nebenbei
Des Rechts im Heer nicht allzu grimmer Hüter.
Des Hauses Herrscherin, stets würdevoll
Und gnadenreich, erschien an diesem Tag
In schwerer, tief-burgunderroter Seide,
Und trug sie diese, war sie jedesmal
Mehr als gewöhnlich feierlich und groß.

Die Guten beide, lange ruhn sie schon,
Dem Weserwald, der schönen Heimat fern,
Von dir und mir beweint, im märk’schen Sand.
Die Tischgenossen, vier geheime Räte,
Mit Frau’n und Töchtern, ein Chemieprofessor,
Ein schmaler, schmucker Fähnrich, ein Major
Und du und ich. Es war so schwül im Saal,
Wir saßen steif und sprachen unterlaut:
Das tat die tief-burgunderrote Seide.
Nur der Chemist, harthörig, wie er war,
Schrie seiner Nachbarin, der blassen Dora,
Das leise Gabelklirren übertönend,
Den Nahrungswert von Kalb und Käs‘ und Kohl
In Dezimalen bis zur fünften Stelle
So laut und lehrhaft zu, dass wir erschraken
Und die gestrenge Dame hohen Haupts
Nicht allzu liebreich auf den Graukopf blickte.
Dann, als sie winkt‘ und heimlichen Befehl
Dem Diener gab – ein frommes Blut vom Lande,
Dem Herrn als Bursch vom Heere zugewiesen –
Und jener, missverstehend, statt des Süßen,
Das sie bestellt, die Küchenlampe brachte, –
Magnus, du weißt, es war die Küchenlampe,
Die Küchenlampe war’s und nicht das Süße! –
Und nun die Gnäd’ge plötzlich dunkelrot,
Rot wie die tief-burgunderrote Seide,
Voll schweren Unmuts auf den Sünder sah
Mit finstrer Stirn und „Aber, Friedrich!“ rief:
Da riss das Zauberband, das uns gelähmt,
Wir brachen aus in fröhliches Gelächter,
Und Friedrichs arme Einfalt lachte mit,
Und sie, die ernste Frau, sie lachte laut,
Am lautesten jedoch der rote Freund.

Jetzt war, vom Weine feucht, die Zunge los,
Und leichter glitt die Rede von der Lippe.
Und während das Gespräch von dem und der,
Von dieser und von jenem und so weiter,
Gleich raschen Bällen, die man fängt und wirft,
Von Mund zu Munde flog, erzähltest du,
Derweil du weintest, aßest, trankst und weintest,
Aus deinem Heimatland im Norden mir
Vom Goliath die traurige Geschichte,
Ich lauschte still und glaubte, wie du sprachst,
Den warmen Sommerduft von Norwegs Tannen,
Den Eishauch seiner Gletscher zu empfinden.
So tief bewegte mich dein kurzes Wort,
Dass ich es manchen Tag im Herzen trug,
Wie man ein Kleinod wahrt im sichern Schrein.

Und wiederhol‘ ich jetzt, was du mir gabst,
Es ist doch nimmer das, was du mir gabst
Und miterlebt. Der Landschaft Riesengröße
Mit Fels und Wald und See und Wasserfall,
Die stillen Menschen, ernst und treu und fest,
Den harten Klippen ihrer Berge gleich,
In scharfen Zügen stelltest du sie dar:
Wie deine Künstlerhand in reichen Farben
Die Gotteswunder, Fels und Wald und See
Und stilles Leben auf die Leinwand zaubert.

Tu‘ jeder, was er kann! Und so beginnt
Vom Goliath die traurige Geschichte.

 

Eine leicht mythologisch verbrämte Einleitung kann sich ein Epos allemal leisten, denke ich; aber „der zarte Flaum des Schnees“, das „Liebeswerben des jungen Lenzes“ – das sind so Dinge, in denen für mich der Kitsch sich zeigt?!

Die eigentliche Schilderung der Tischgesellschaft liest sich dann angenehm, und einzelne Verse sind schon recht einprägsam: „Das tat die tief-burgunderrote Seide“. Und auch die ruhige Ausgeglichenheit, die Erzähgeschwindigkeit machen keinen üblen Eindruck?!

Na, soweit erst einmal. Ich denke, ich komme in einem späteren Eintrag  noch einmal auf die eigentliche Geschichte zu sprechen!

0

Fuchs und Trauben

Ein Fehler eines Mönchs, Der Eine Abschrift Fertigte, brachte einige Tauben mit einem Fuchs zusammen, der sich behend dieses Festmahls bemächtigte, ehe es aus seiner Reichweite verschwinden konnte.

0

Wortlisten (2)

Weingut, Mischkrug, Schriftbild, Handbuch, Fortgang, Dichtkunst, Waldstrom, Erdkreis, Urstoff, Kreislauf, Grabnacht, Heerschar, Gottmensch, Steindamm, Taufschmuck, blutleer, Krückstock, Lehnstuhl, Frondienst, Darmbund, Baumstamm, Eiscreme, Streichholz, Lichtstrahl, Eckzahn, Farnkraut, Fuhrwerk, Kampfgeist, Turmuhr, Holzschwert, Goldlack, Wohltat, Wichsfrosch, Plattfuß, Weinlaub, Dreifuß, Maulwurf, Zwielicht, Erdfloh, Walnuss, Brosam, seekrank, Schilfrohr, Wandschrank, Kirchspiel, Vorzeit, Kampfgeist, Waldhorn, Bocksprung, Schnitzwerk, Birnbaum, Schornstein, Märzbier, Schiffsbauch, Weinblatt, Ratschluss, Stoßzeit, Schraubstock, Wachslicht, Filzhut, Kuhhirt, Geldstück, Wutschei, Schreibrausch, Nachtisch,Brummbass, Marschland,Burgtor, Zunftmarkt, Prellbock, Grießbrei.

0

Bücher zum Vers (13)

Friedrich Georg Jünger: Rhythmus und Sprache im deutschen Gedicht.

Das ist ein nicht allzu dickes Buch, zuerst erschienen 1953; ich habe hier gerade die dritte Auflage liegen, die 1987 bei Klett-Cotta erschienen ist. Trotz des beschränkten Raums bringt Jünger ein Menge Inhalt, zu „Rhythmus und Sprache“, „Gliederung der Sprache und des metrischen Rhythmus“, „Der Vers“, „Strophen“, Freie Rhythmen“. Das kann gelingen, weil Jünger sich sehr knapp und klar ausdrückt. So kommen viele Sätze zustande, die wie Lehrsätze klingen, und deren Inhalt leicht erinner- und nutzbar ist. Das Buch sollte man also auf jeden Fall in die Hand nehmen, hat man Gelegenheit dazu; auch, wenn es schon einige Jahre auf dem Buckel hat und vieles nicht erfasst und beschreibt, was sich in den letzten fünfzig Jahren getan hat auf dem Gebiet des Gedichts. Die grundlegenden Gedanken, die sich Jünger hier macht, helfen auch heute noch weiter!

0

Februar

Der Februar ist schweigsam – jeden Tag bedenkt
Er still sich selbst. Doch einmal, als der Schlaf nicht kam,
Hab ich mit einer Nacht gesprochen; lange Zeit.

0

Erzählverse: Der Hexameter (11)

Eduard Mörikes „Epistel“

Mörikes „Epistel“ ist eine recht kurze Hexameter-Dichtung:

 
Wie sich dein neuer Poet in unserem Kreise gefalle?
Nicht zum besten. Er meint, man verstünd ihn eben auch hier nicht.
Jetzo hat er ein griechisches Epos, hör ich, die Argo-
nauten, heroische Form, auf dem Amboss. Segn’ es der Gott ihm,
Aber zu lesen begehr ich es nicht. Glaub mir, das ist auch so
Eins von den sauren Genies, dergleichen wir mehrere kennen.
Wortkarg streicht er den Schnurrbart sich, wie verstimmt und befangen,
Wenn man des Trefflichsten irgend gedenkt von den Alten und Neuen;
Oder er mäkelt daran mit kleinlichem Tadel, von fern erst,
Bis er, hitziger werdend im Streit, Maßloses daherschwatzt
Und wie ein stätischer Esel hinausschlägt, wo es auch hintrifft.
Das sind schlimme Symptome. – Vernimm ein homerisches Gleichnis
(Pflegten wir doch vormals in parodischer Laune zuweilen
Stundenlang nach der Weise des göttlichen Alten zu reden)
Gleichwie die gelbliche Birne zur Herbstzeit, wenn sie gereifet
Fiel vom Ast und im Fall von der dornigen Hecke verwundet
Liegt am Boden, alsbald mit schwärmenden Wespen bedeckt ist,
Welche sie rings aushöhlen, die gierigen Kiefer bewegend –
Also strotzet sein Herz von wilden Gedanken der Ehrsucht
Und des verzehrenden Neids. Ihn blendete völlig ein Dämon.

 
In diesem kurzen Stück hört man schon den ganzen Mörike: Freundschaftlich und humorvoll im Ton behandelt er nicht irgendwelche gewichtigen Weltfragen, sondern erzählt von dem Eindruck, den jemand im persönlichen Aufeinandertreffen hinterlassen hat. Sein Hexameter passt sich dem an, er ist sich seiner selbst bewusst und fließt dabei unaufgeregt-heiter dahin, ohne langweilig zu wirken. Zum lockeren Ton passt natürlich auch der spielerische Bezug auf die Antike.

Ein paar der Verse sind vom Aufbau her recht bemerkenswert.

Bis er, hitziger werdend im Streit, Maßloses daherschwatzt

Hier gibt es dieselbe Abweichung vom der Hexameter-Form zu beobachten wie bei Schiller:

Bis er, / hitziger / werdend im / Streit, || Maß- / loses da- / herschwatzt

Das „Maß-“ von „Maßloses“, das ja eigentlich die Betonung tragen müsste, wird auf die Stelle einer unbetonten Silbe gesetzt, und das natürlich auch, aber eben schwächer betonte „-los-“ rutscht auf die betonte Versstelle. Wieder bleibt, wenn man nicht gegen den Versbau lesen will, nur die Möglichkeit, die drei Silben „Streit, Maßlos-“ mit demselben Nachdruck zu sprechen.

Diese Erscheinung rührt aus der Zeit her, als die deutschen Dichter durch Versuch und Irrtum erprobt haben, wie stark der deutsche Hexameter die Eigenheiten des antiken Hexameters übernehmen soll, kann, darf. Dieser sogenannte „geschleifte Spondäus“ wurde oft versucht, wirkt aber im deutschen Vers fremd und sollte daher als Bereicherung gesehen werden, die es aber sparsam einzusetzen gilt an Stellen, die eine Heraushebung verdienen.

Mörike hat hier eine solche Gelegenheit und nutzt sie: Dadurch, dass sich ja gewissermaßen eine zusätzliche Betonung in den Vers schleicht, vertont er die geschilderte Maßlosigkeit aufs Schönste!

Noch ein zweites Beispiel dafür findet sich:

Aber zu lesen begehr ich es nicht. Glaub mir, das ist auch so

Hier ist die Versbetonung gar nicht so einfach aufzuspüren?!

Aber zu / lesen be- / gehr ich es / nicht. || Glaub / mir, das ist / auch so

Ausgerechnet das „glaub“, das in dieser Versgegend das prosodisch bei weitem gewichtigste Wort ist, steht auf einer unbetonten Stelle! Da bleibt nur, wie eben die drei roten Silben auf einer Stärke zu lesen. Was bewirkt das hier, was soll es nach Mörikes Absicht bewirken? Ich weiß es auch nicht wirklich, aber ich nutze es immer, um dem „Glaub mir“ einen beschwörenden Ton zu geben, was eigentlich auch ganz gut klappt.

Na, und immer so weiter. Ich ergänze einfach noch diese beiden Verse:

Und wie ein stätischer Esel hinausschlägt, wo es auch hintrifft.

Welche sie rings aushöhlen, die gierigen Kiefer bewegend –

Das „homerische Gleichnis“ gegen Ende ist im ersten Augenblick etwas verwirrend aufgrund des Satzbaus; „die gierigen Kiefer bewegend“ habe ich mir dagegen sofort gemerkt. Sehr schöner Ausdruck! Jedenfalls weisen diese beiden Verse die nämliche Eigenheit auf?