Archiv für den Monat Oktober 2014
Bücher zum Vers (51)
Ulla Hahn: Dichter in der Welt. Mein Schreiben und Lesen.
Ein Band, der nicht unmittelbar auf Fragen zum Vers eingeht; obwohl immer wieder Verse eingestreut sind. Im Vorwort beschreibt Ulla Hahn, was den Leser erwartet – einmal „Überlegungen zum Verständnis des eigenen Handwerks“, dann aber auch die „Annährung an Kolleginnen und Kollegen“. Zu denen zählen dann Anette von Droste-Hülshoff, Hilde Domin, Christa Reinigs, Gertrud Kolmar, Else Lasker-Schüler, Sylvia Plath, Erich Fried, Marina Zwatajewa, Lilja Birk, Wladimir Majakowski, Nelly Sachs, Marie Luise Kaschnitz, Nikolaus Lenau, Emily Dickinson, Karl Krolow, Giuseppe Ungaretti, Inger Christinsen, Ivan Bunin, Gertrud von le Fort, Simone de Beauvoir, Bertholt Brecht, Irina Ratuschinskaja, Wassyl Stus, Ricarda Huch, Albrecht Haushofer, Theodor Kramer, Gottfried Benn: Also eine große Breite. Da kann auf knapp 300 Seiten nicht sehr in die Tiefe gegangen werden, aber was geschrieben steht und gelesen werden kann, ist die dafür aufgewendete Zeit auch wert.
Ich hänge als Beispiel für Hahns Art zu schreiben noch eine Stelle aus „Mit dem Gaumen des Herzens“ an. Sie findet sich auf Seite 28 und hat das laute Lesen von Gedichten zum Inhalt:
Wählen Sie das Gedicht aus, das Ihnen das liebste ist. Ziehen Sie sich mit ihm zurück, und dann lesen Sie es. Laut und Leise. Mit den Augen und dem Mund und den Ohren. Inwendig und asuwendig. Wörter sind Laute, sinnliche Gebilde, sie wollen nicht nur begriffen, sondern ergriffen sein, mit Zunge und Zähnen, Lippen und Zäpfchen, mit der Luft aus dem Raum in die Lunge und wieder hinaus. Im Anfang war das Wort. Nicht die Schrift. Wörter wollen gehört sein. Wenn wir wieder begreifen wollen, was ein Gedicht in seinem Kern ausmacht, müssen wir es wieder in den Mund nehmen. Jedes Wort hat einen Körper, einen Klangkörper. Ein Gedicht ist eine Komposition, eine Partitur, die jeder nachspielen, nachsprechen kann.
Erschienen ist „Dichter in der Welt“ 2006 in der Deutschen Verlags-Anstalt.
Ohne Titel
Ein hoher Baum, auf dem ein jedes Blatt
Den ganzen Sommer lang geschnattert hat,
Davon, wer sich im Wind an wen geschmiegt,
Davon, wer stets den Sonnenplatz gekriegt,
Geschwätz und leere Reden, Tag wie Nacht:
Ward so beinah um den Verstand gebracht.
Doch schließlich kommt der Herbst, und eilig löst
Der Baum das Laub von seinen Ästen, stößt
Es von sich, ohne Gruß und Abschiedswort,
Und sieh! der Wind trägt alle Blätter fort.
In süßer Stille steht verzückt der Baum;
Doch wird er nun um Mitternacht, im Traum,
Von braungeripptem Blätterspuk besucht,
Von Geistern: derer jeder ihn verflucht.
Erzählverse: Der Blankvers (45)
„Konfetti“ ist ein ziemlich spätes Gedicht von Gottfried Benn, im ersten Band seiner gesammelten Werke (Limes 1968) auf Seite 255 zu finden. Nicht unbedingt ein Erzählgedicht, aber eine Gelegenheit, Benns Blankversen nachzuhören?!
Mehr ist sie nicht, mehr bist du nicht – verweile:
auch dieser Stunde – selbst sie mit Besuch,
Geplärr, Angeberei und Formverwaistem –
gibt sich die Welt, hier scheitelt sie sich ein,
mehr hat sie nicht, mehr hast du nicht – verweile!
Natürlich kannst du durch das Fenster
auf das Konfetti sehn, das in den Sträuchern
noch von Silvester hängt und flockig jetzt
zartfarbig pendelt in des Februars
blaustreifig unterkühltem Ahnungslicht,
und dich erweichen lassen von dem Blick
auf Schwärmendes, das in den Frühling geht
vielleichtiger nachfolgender Vergänge
durch Einsamkeit und Gärten schwester Frucht,
durch Glück besonderer Art, nur dir bestimmt,
Gebrochenheiten, wo Rubine spielen,
doch nimm nicht als Gesetz, was Ahnung ist,
auch dieser Sunde – selbst sie mit Besuch –
gib Antwort, Rede wie den Kühen Heu,
das dann im Euter sich als Weißes bringt
im weiten Kreislauf, wo sich dies und das
mit großem Unterschied wohl kaum noch fühlt –
auch ahnst du tiefer, wenn es schnell vergeht.
– Und unabhängig von dem, was im Gedicht verhandelt wird: Der Vers geht ruhig seinen Gang, sehr ausgewogen; nur hier und da aufgelockert durch die Freiheiten, die dem Blankvers seit jeher zugehören: Ein vierhebiger Vers („Natürlich …“), eine doppelt besetzte Senkung („besonderer“), zwei schwebende Betonungen, allerdings in aufeinanderfolgenden Versen: „zartfarbig …“, „blaustreifig …“): das war’s. Trotzdem hat der Text einen eigenen Ton, und ihn ein- oder besser zweimal laut zu lesen: das lohnt sich schon.
Die Lindenschmidt-Strophe
Im 21. Jahrhundert mit Versen erzählen – wenn überhaupt, geht das meinem Gefühl nach eher mit ungereimten als mit gereimten Versen, und eher mit gereihten Einzel-Versen als mit in Strophen gebundenen Versen. Reimstrophen sind, so gesehen, nicht die beste Wahl … Erst recht nicht kreuzgereimte vierhebige Vierzeiler, die klingen so nach Gestern, dass es wehtut?!
Einige Strophen gibt es aber doch, denen man zutraut, dieses Kunststück zu vollbringen; eine davon ist die sogenannte „Lindenschmidt-Strophe“. „Genannt wurde die Form nach dem historischen Lied vom Räuber Lindenschmidt, das in dieser fünfzeiligen Strophe bald nach dessen Enthauptung 1490 entstand und weite Verbreitung fand“ – so Horst Joachim Frank in seinem wunderbaren „Handbuch der deutschen Strophenformen“. Wenn man so will, also eine Strophe von Vorgestern; sie war im 16. Jahrhundert sehr beliebt, wurde aber von den Barockdichtern kaum verwendet und blieb auch danach weitgehend vergessen.
Wie aber sieht sie aus? So:
x X / x X / x X / x X a
x X / x X / x X / x X a
x X / x X / x X / x .. b
x X / x X / x X / x X –
x X / x X / x X / x .. b
– Also ein betont schließendes Reimpaar aus iambischen Vierhebern, denen ein unbetont schließender iambischer Dreiheber folgt, der nach Einschub eines weiteren, diesmal reimlosen Vierhebers im fünften Vers von seinem Reimpartner ergänzt wird.
Als Beispiel nehme ich einen eigenen, allerdings ein klein wenig albernen Text:
Die Katze sitzt im Hühnerstall.
Warum? Wer weiß; auf keinen Fall
Will sie dort Eier legen –
Vielleicht sucht sie nach einer Maus,
Vielleicht nur Schutz vorm Regen …
– Trotzdem zeigt sich schon, die Lindenschmidt-Strophe kann auch als Einzelstrophe stehen und dabei epigrammatisch oder eben, auf kleinstem Raum, erzählend gestaltet sein?! Dann wirkt sie fast wie ein Madrigal: unterschiedliche Zahl der Hebungen in den Versen, unterschiedliche Reimanordnungen, eine Waise (also ein ungereimter Vers) …
Aber üblicherweise hat ein Text mehrere Strophen. Ein Erzähltext aus dem 17. Jahrhundert ist das „Lied vom Schlaraffenland“:
Nun höret zu und schweiget still,
Was ich euch Wunders sagen will
Von einem guten Lande;
Es bliebe mancher nicht daheim,
Könnt´ er dahin gelangen.
Die Gegend heißt Schlaraffenland,
Ist faulen Leuten wohl bekannt,
Liegt hinterm Zuckerberge;
Und willst du in das Land hinein,
Friss dich hindurch die Zwerche.
Der Berg ist schier drei Meilen lang,
Doch beiß dich durch und tu dir Zwang:
Gelingt dir´s ohne Schaden,
So findest du die Häuser all
Gedeckt mit Eierfladen.
– Und immer so weiter noch ein gutes Dutzend Strophen lang! (Zwerche, Zwerch: „Querrichtung im Gegensatz zur Längsrichtung“, sagt der Grimm.)
Aber auch das geistliche Lied hat sich dieser Strophe bedient – Paul Gerhardt dichtete etwa:
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Und Werk in deinem Willen ruh’n,
Von dir kommt Glück und Segen;
Was du regierst, das geht und steht
Auf rechten, guten Wegen.
– Das ist die erste der 14 Strophen des Liedes.
Heute ist die Lindenschmidt-Strophe gründlich vergessen. Ein bekanntes Studentenlied verwendet sie allerdings doch: „Es steht ein Wirtshaus an der Lahn“ – welche der unzähligen Strophen da nun wirklich zugehören, habe ich nie verstanden … Eine immerhin mögliche:
Frau Wirtin hat auch eine Magd,
Die hat ein tolles Spiel gewagt:
Sie tät sich unterfangen
Und bracht‘ den Flöh’n das Tanzen bei;
Hei, wie die Tierchen sprangen!
Davon ausgehend und dementsprechend auch nach der Lindenschmidt-Strophe gebaut sind die „Wirtinnen-Verse“ mit ihren oft ziemlich … unanständigen Inhalten!
Bei all den Liedern kann es nicht schaden, zumindest für dieses mal einen Link zu setzen – eine nette Fassung der Comedian Harmonists, aus den 30ern. Man kann aber auch andere finden!
Eine wandlungsfähige Strophe also, die dem Ohr nicht den immer und immer wieder gehörten Tonfall der meisten vierzeiligen Strophen vorklingelt; von daher einen Versuch wert – ich kann aus eigener Erfahrung jedenfalls sagen: es lohnt sich, die Lindenschmidt-Strophe ist eine anpassungsfähige Form, die hinhören lässt; und vor allem macht es Spaß, sie zu schreiben!
An den Schluss stelle ich noch mal etwas eigenes – da es um das Erzählen mit Versen geht, eine in meinem „Königreich von Sede“ angesiedelte Strophe:
Prinzessin Sofarosa denkt,
Derweil sie geht, und also lenkt
Sie ihre holden Schritte
Zu keinem Ziel; sie zieht im Kreis
Um ihres Denkens Mitte.
Ohne Titel
Zu welcher Stunde,
Aus welchem Grunde
Die Liebe zerbricht:
Das weiß man nicht.
Erzählverse: Der trochäische Vierheber (31)
Robert Hamerlings „Homunkulus“ (2)
Das ganze Epos vorzustellen, wäre zu aufwändig; aber zumindest in den zweiten Gesang möchte ich noch einen Blick werfen!
Im weiteren Verlauf des esten Gesangs erweist sich der Homunkulus als lebensunfählig; sein Schöpfer betäubt ihn und führt in zurück in einen embryonalen Zustand. Dann, in den letzten Versen des Gesangs:
Und nachdem ihm dies gelungen
Mit unsäglichem Bemühen,
Sacht‘ den Embryo verpflanzt‘ er
Auf geheimnisvolle Weise
In den Mutterschoß der Gattin
Eines armen Dorfschulmeisters.
Eine frühe Form der Leihmutterschaft?! Jedenfalls wird der Homunkulus im zweiten Gesang ganz gewöhnlich geboren und wächst heran, und wird: Dichter. Als solcher scheitert er mit diesem und jenem und sucht sich danach neue Themen.
Und er fand zwar nichts, was neu,
Aber manches doch, was Mode.
Dichtermode war zum Beispiel
Mittelalter just, das „finstre“,
Und das Altertum, das „graue“.
Und so schrieb er denn ein Epos,
Allerneu’ste „Nibelungen“,
Dacht‘ es stracks wie eine Bombe
Zündend in das Volk zu werfen.
Es gelang ihm, einzuschleichen
Sich mit zartem Minnesange
In das Herz der schönen Tochter
Eines reichen Buchverlegers.
Diesem bot er an sein Epos,
Warb zugleich um seine Tochter.
Doch der Buchverleger sagte:
„Willst du nach der Myrthe greifen,
Erst verdiene dir den Lorbeer!“ –
Und das Buch, es ward gedruckt,
Und es ward hinaus gesendet
In die Welt und hochgepriesen
Ward’s, in die Posaune stießen
Alle Kritiker, die Ohren
Gellten wie der angeschlag’ne
Heil’ge Erzschild zu Dodona
Mondenlang dem Publikum.
Während so vom Lob des Buches
Die Journale widerhallten,
Schwand das Jahr, und sieh, vergriffen
Waren – dreizehn Exemplare.
D’raufhin wies der Buchverleger
Stumm die Tür dem Minnesinger,
Gab die Tochter einem Andern,
Und das Epos stampft‘ er ein.
Mittelalter – in der Tat immer mal wieder Mode. Allerdings mehr in Romanform, heutzutage … Und nicht die Nibelungen, oder zumindest selten. Aber im 19. Jahrhundert waren solche Stoffe noch sehr im Schwange, und Hamerling nimmt hier, wie an vielen Stellen seines Homunkulus, Dinge seiner Zeit auf die Schippe – knapp 20 Jahre vor dem Homunkulus war zum Beispiel Wilhelm Jordans Epos „Die Nibelungen“ erschienen.
Hamerlings Vers zeigt eine deutliche Formung des Satzes durch die Vorgaben des Verses, was manchmal etwas hart klingt, aber oft auch anziehend?!
Bild & Wort (92)
Erzählformen: Das Madrigal (9)
Wieland selbst hat 1771 in der „Vorrede“ zum „Neuen Amadis“ die von ihm benutzte Versart so beschrieben:
Die Versart des Neuen Amadis hat die Vorteile der meisten übrigen, ohne ihre Mängel und Unbequemlichkeiten. Sie passt sich an alle Arten von Gegenständen, und an alle Veränderungen des Stils an; sie hat, je nach dem es erforderlich ist, einen gelassenen oder hüpfenden, einen feierlichen oder muntern, einen eleganten oder nachlässigen Gang; sie windet sich wie ein sanfter Bach durch Blumengefilde, oder rauscht wie ein Waldwasser über Stämme und Felsenstücke daher; sie scheint beim ersten Anblick zu frei zu sein, um dem Poeten die mindeste Mühe zu geben; aber Ungeübte, welche, ohne feines Gefühl für Rhythmus und Harmonie, sie nachzuahmen versuchen wollten, möchten sich hierin betrogen finden. Alles in der Welt hat seine Regeln; und diese freie Versart, so nahe sie an die Dithyrambische grenzt, hat deren vielleicht mehr als irgend eine andre. Sie ist fähig, einem Gedichte die größte musikalische Anmut zu geben; aber unter ungeschickten oder allzu nachlässigen Händen würde sie ein unerträgliches Geleier werden. Die Nachahmer wissen selten, wieviel Kunst und welch ein hartnäckiger Fleiß oft unter dem Anschein der äußersten Leichtigkeit versteckt ist.
– Da steckt einiges an Nachdenkenswertem drin?! Aber damit wenigstens einige Verse in diesem Eintrag vorkommen, habe ich eine der Stellen herausgesucht, an denen Wieland die äußersten Möglichkeiten dieser Versart unmittelbar aufeinander folgen lässt, den Schluss der zweiten Stanze des 13. Gesangs:
Auch seine Musik, allein, was das betrifft,
So können wir seinen Geschmack am Bunten und Schweren nicht loben,
Dennn uns ist beides Ohrengift.
Da geht es wild her: Erst ein fünfhebiger Vers von elf Silben, dann ein sechshebiger Vers von siebzehn Silben (achtzehn ist die höchstmögliche Zahl an Silben!), ehe die Bewegung im dritten Vers auf einen vierhebigen Vers von acht Silben zurückfällt!
Auch sei– / ne Musik, || allein, / was das / betrifft,
So kön– / nen wir sei– /nen Geschmack || am Bun– / ten und Schwe– / ren nicht lo– / ben,
Denn uns / ist bei– / des Oh– / rengift.
x X / x x X || x X / x X / x X
x X / x x X / x x X || x X / x x X / x x X / x
x X / x X / x X / x X
Der dritte Vers ist noch nicht einmal halb so lang wie der zweite?! Eigentlich müssten solche Verse auseinanderfallen, wie zu verschiedenen Gedichten gehörig erscheinen; sie tun es aber nicht, wie die Überprüfung im Vortrag zeigt. Der ist ohnehin unabdingbar, wie auch Wieland anmerkt in seiner Vorrede zu einer neuen Auflage des „Amadis“ (1794):
Denn dass ein Gedicht nicht nur gesehen, sondern auch gehört werden soll, ist etwas so wesentliches, dass man es sich, auch wenn man Verse für sich allein liest, zum Gesetz machen sollte, allezeit laut zu lesen.
Das Königreich von Sede (54)
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Personen:
PRINZ KLAPPSTUHL, Wie viele Prinzen ein Grübler
SCHEMEL, Des alten Königs alter Hofnarr
PRITSCHE, Hauptmann der Stadtwache, also: der Oberpolizist.
Vohang auf…
Ein Hügel mit Blick zum Wald,
Darauf: PRINZ KLAPPSTUHL
In der Ferne das Gasthaus „Zum Tintenfässchen“
PRINZ KLAPPSTUHL wirft die Arme um sich:
In Licht und Wärme ruht schon lang die Welt
Und wähnt vom Werden frei sich und Vergehen;
Doch unerbittlich greift das Rad ins Rad,
Maschinengleich vertickt und tickt das Jahr
Momente, Stunden, Tag um Tag und lässt
Die Nacht mit jedem Male früher fallen,
Vermischt mit diesem Sommerwehen längst
Die weit entfernt geglaubte, kühle Herbstluft.
SCHEMEL steigt von links zum Prinzen auf:
Ach Junge, stehst du wieder mal hier oben
Und grübelst, führst Gedanken um Gedanken
In unfruchtbaren Kreisen um dich her –
Wie wär‘s, wenn du, statt in der Bäume Grün
Des Herbstes Farbenschillern schon zu ahnen,
Dich aufraffst, handelst, einfach mal was tust!
PRINZ KLAPPSTUHL:
Den Lauf der Welt vermag die kühnste Tat
Des allergrößten Helden nicht zu bremsen…
SCHEMEL:
Von Heldentaten red ich nicht – das Schwert,
Der Kampf und all das Zeugs sind mir egal!
Die Feder sollst du führen, sollst mit Versen
Die Welt in deinem Kopf, in meinem Denken
Auf wunderbare Weise neu gestalten!
Statt diese gottverdammte Weltmaschine
Mit großen Augen hilflos anzustarren,
Hast du Gelegenheit, den Hebbel umzulegen!
Pass auf, ich gebe dir ein kleines Beispiel…
Deklamiert nach kurzem Nachdenken:
Ein Vogel wollt‘ nach Süden fliegen,
da stand ein Baum im Wege;
„Du willst mich um mein Glück betrügen!“
rief er, und: „Eine Säge!“
PRINZ KLAPPSTUHL:
Es führt mich dein Gedicht auf sichrem Wege
Von den verschlungnen Pfaden meines Sinnens
Ans Licht – schon denk ich einen andren Herbst!
Wirft sich in Positur; mit fürchterlichem Hohn:
Nun wenn die Blätter fallen, muss die Krone nach!
SCHEMEL:
Na bitte, geht doch! Nun, da dies Problem
Gelöst scheint, schlag ich vor, dass wir hinunter
Zum Tintenfässchen schlendern und den Lauf
Der Welt bei einem Bier erneut bedenken?!
PRINZ KLAPPSTUHL:
Der zweite gute Rat in kurzer Zeit!
Beide gehen zum in der Ferne sichtbaren Gasthaus;
Von rechts ersteigt PRITSCHE den Hügel.
PRITSCHE:
Man sagt, hier wird ein Dichtermord geplant?!
… Vorhang zu.