„Trump hat gewonnen.“ „Und jetzt?“ „Ist die Kacke am Dampfen.“ „Wie heftig?“
„Esel, als schissest du krank, fiebernd! aufs ewige Eis.“
Archiv für den Monat November 2016
Erzählverse: Der Hexameter (155)
Georg Trakls „Frühling der Seele“ ist ein Gedicht aus 29 bewegungsstarken Langversen verschiedenster Art; keinesfalls ein Hexametertext, aber es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn sich unter solchen Langversen keine Hexameter fänden?! Und wirklich, zwei Hexameter kann man heraushören:
Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes?
Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische.
In Trakls Text stehen zwischen diesen beiden Versen sechs andere; aber sie können auch gut unmittelbar aufeinanderfolgen. Was nicht wundert: Gute Hexameter sind immer eine Einheit, etwas Abgeschlossenes, in sich Ruhendes; und der Mensch ist ein Sinnsucher ohnegleichen, wenn zwei zusammengestellte, „fertige“ Verse durch ihr Neben- und Nacheinander einen Sinn behaupten, wird ein Sinn gefunden werden!
Erzählverse: Der trochäische Vierheber (58)
Verfasser sollen ihre Gedichte nicht erklären, heißt es oft; in Julius Curtius‘ folgendem Text übernimmt die Erklärerei sogar das Gedicht selbst!
Blühte mir ein schöner Garten
Voll der allerschönsten Blumen;
Malven, die den Himmel suchen,
Veilchen, Rittersporn und Flieder,
Nelken, Lilien und Resede.
Doch die schönsten Blumen alle
Mochten mir nicht so gefallen,
Als ein wildes Rosenstöckchen
Am gegitterten Geländer.
In der Blätter dunklem Grüne
Leuchteten die roten Blumen
Freundlich, wie die Morgenröte;
Und sie dufteten so lieblich,
Früh am Morgen, spät am Abend,
Dass ich manche liebe Stunde
An dem Rosenstöckchen wohnte.
Und der Gärtner sah mein Lieben,
Und noch mehr mich zu vergnügen
Schnitt er weg die wilden Ranken
Und die Dornen an den Stielen,
Die mir wohl die Hände ritzten.
Als ich nach gewohnter Weise
Abends zum Geländer schreite,
Ist der ganze Busch verwüstet:
Jeder der vorüber wallte,
Brach vom unbewehrten Busche
Im Vorbeigeh’n Blum‘ und Knospe;
Trauernd ging ich aus dem Garten,
Denn die zarten Blumen alle,
Wie der Regenbogen lieblich,
Wie aus Paradiesen duftend,
Konnten mir das Rosenbäumchen
am Geländer nicht ersetzten.
Und die Rose war mein Liebchen,
Und der Gärtner war sie selber,
Und der Garten meine Heimat.
Keine ganz großen Verse, aber das Ende hat in seinem Willen zur Eindeutigkeit etwas – durchaus!
Erzählformen: Das Reimpaar (29)
„Das Märchen vom Waldfegerlein, der kleinen Marie erzählt“ stammt von Hermann Kurz und verwendet ein gutes Stück weit ausschließlich männlich schließende Reimpaare aus iambischen Vierhebern:
Waldfegerlein des Morgens fruh
Saß auf dem Zweig in guter Ruh,
Hatte die Nacht zum Schlaf genutzt,
Guckäuglein morgens hell geputzt,
Sah munter in den lieben Tag
Und sang ihn an mit süßem Schlag:
Erst sang es nur verstohlen leis,
Dann laut, herzhaft und trillerweis,
Netzt‘ in dem Tau das Schnäbelein
Und wetzt‘ es wieder am Baume rein.
Es steht über dem Text noch ein Zitat – „Ay Nachtigol, Waldvegerlain!“ Lied aus dem Kuhländchen – durchaus verständnisfördernder Art; aber eigentlich finde ich es viel spannender, ohne dieses Wissen in den Text hineinzulesen …
Warum wirken diese Verse so lebendig angesichts der geringen Abwechslung am Versende? Nun, Kurz nutzt den Versbeginn, um keine Gleichförmigkeit aufkommen zu lassen! Dort hat er Spondeen statt Iamben und versetzte Betonungen (also Trochäus statt Iambus) die Menge; sogar im Versinnern trifft man, neben zweisilbig besetzten Senkungen, eine versetzte Betonung:
Dann laut, / herzhaft / und tril– / lerweis,
◡ — / — ◡ / ◡ — / ◡ —
Das sorgt für einige Auflockerung, die aber sehr gut zum schwungvoll-verschmitzten Tonfall des Textes passt!
Go: Die alten Meister (55)
Der alte Meister fächelt
Sich Luft zu – die Partie
Strengt an. Er schwitzt. Er lächelt.
Erzählformen: Das Distichon (49)
Kaum habe ich vorgestern ein Gedicht vorgestellt, das eine Fußnote aufweist, stolpere ich andauernd über solche Texte! Friederike Brun hält dabei ziemlich wahrscheinlich den Rekord für das zügigste Vorkommen zweier Fußnoten: Die erste findet sich am Ende des Gedichttitels, die zweite nach der ersten Hälfte des ersten Verses!
Die Schwester und die Nymphe der Garonne *
Die Schwester
Nymphe des goldenen Stroms **, verlasse die schäumende Urne,
Heb‘, o Göttliche, hoch über die Wogen dein Haupt!
Höre die Stimme der Schwester, die laut den Jüngling verlanget,
Den dein mächtiger Arm tief im Abgrund verbarg.
Nymphe, pflegest du sein in wogenumdonnerter Halle?
Teilt der Holde mit dir deiner Unsterblichkeit Glück?
Die Nymphe
Nicht die Nymphe des Stroms entführte den Kühnen, den Schönen;
Hoch zum Olympus hinauf trug ihn ein stärkerer Gott!
Heimlich blühet er dort, umkränzt von ewiger Jugend.
Trockne die Träne des Harms! Weine den Seligen nicht!
* Ich verlor vor fünf Jahren einen geliebten Bruder, der beim Baden ertrank. Indem ich bei meiner Ankunft in Bordeaux über den Fluss setzte, entstanden diese Zeilen.
** Die Garonne zeichnet sich unter den gelben Strömen Frankreichs durch eine reinere tiefere Goldfarbe aus.
Am Text selbst ist kaum etwas bemerkenswert; vielleicht, wie uneigentlich die Verse heute wirken vor dem Hintergrund dessen, was die Verfasserin in den Fußnoten berichtet?! Das nächste Gedicht in ihrer Sammlung heißt „Die Nymphe des Mains und der Wandrer“, ist fußnotenfrei und beginnt mit diesem Distichon:
Der Wandrer
Schöne Nymphe des Mains mit den langen wallenden Locken,
Sag‘, o Liebliche, wem eilet entgegen dein Fuß?
Kein Bruder, der zu Tode gekommen ist; und keine irgend wahrnehmbare Änderung in Tonfall oder Aufbau oder …
Erzählverse: Der iambische Siebenheber (7)
„Feuerkraft“ ist heutzutage eine militärische Angelegenheit, wie auch duden.de weiß: „Von Feuergeschwindigkeit, Reichweite und Explosionsgewalt abhängende Wirkung von Feuerwaffen.“ Das war nicht immer so, wie die 1833 erschienene „Kosmologische Vorschule zur Erdkunde“ von Gottlieb August Wimmer bezeugt, in der es heißt: „Denn in gewisser Weise haben beide Recht, sobald es sich von der Wirkung der Wasser- und Feuerkräfte auf die Erdrinde handelt, …“: Also „Feuerkraft“ wie „Wasserkraft“, die „Kraft des Feuers“ entspricht der „Kraft des Wassers“.
In der Dichtung gebraucht zum Beispiel Hermann Kurz das Wort in diesem Sinne in seiner „Jugendbitte“, die eigentlich ein Gebet ist, da das „Ich“ sich an Gott wendet. Die beiden Schlussverse:
Gib mir der Liebe Feuerkraft, die Feuerkraft des Weines,
Und werd‘ ich nie ein großes Licht, so sei ich dir ein reines.
Und das durchaus überzeugend – denkt man bei der ersten Nennung noch, wenigstens zum Teil, die ärgerlich viel Sinn habende „militärische Lösung“ mit, ist diese bei der zweiten Nennung schon „überschrieben“. Was, möglicherweise, auch an der Art liegt, wie Kurz den weiten Raum des Siebenhebers nutzt, um seinen Inhalt durch einigen Aufwand an sprachlichen Mitteln abzusichern und einzuprägen!
Erzählverse: Der Hexameter (154)
Ludwig Wellmers „An die erste Schwalbe“, von dem ich den ersten Teil gebe, ist ein Gedicht, das einen zweiten Blick wert ist; allerdings nicht wegen seiner Hexameter (obwohl sie in Ordnung sind), sondern weil es ein „Fußnotengedicht“ ist; der Stern am Ende der dritten Zeile verweist nämlich auf eine solche Fußnote!
Bist du wieder erwacht, du freundlicher Bote des Frühlings?
Heiter entstiegen dem Grab, das kalt und feucht dich umhüllte?
Trauernd senktest du dich vom schwankenden Schilfe des Sees *
Tief in den Abgrund der Nacht, dort still auf ewig zu schlummern.
Aber dich hat ein Gott umschleiert mit dichtem Gewebe,
Wehrend des Elements feindselig zerstörenden Kräften,
Bis du, erwärmet vom Hauch des lebensausspendenden Lenzes,
Freudig begrüßest das Licht, die Flügel im Äther entfaltend.
* Bekanntlich senken sich viele Schwalben im Spätherbst auf diese Weise in Seen und Flüsse, wo sie tief auf dem Grunde bis zum Eintritte des Frühlings in einem todähnlichen Zustande ruhen.
„Bekanntlich“. Hm. Aber trotzdem gut, dass die Fußnote da ist, ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts; sonst verstünde man den Inhalt der Verse gar nicht … Und vielleicht sind ja gerade Hexameter-Texte in ihrer Wirklichkeitsgier der geeignete Ort für das eine oder andere „Sternchen“!
Bild & Wort (204)
Erzählformen: Das Distichon (48)
Huber, mein Freund! Sei billig und lass dich in Spiritus setzen;
Gönn‘ es der Nachwelt auch, dass sie den Kritiker schaut.
Derart bissig äußerte sich Friedrich Schlegel – allerdings nur in einem nachgelassenen Epigramm; der angeredete Kritiker Ludwig Ferdinand Huber hatte dagegen Schlegels Werke öffentlich übel verrissen: „Es gibt nicht leicht einen Zweck, um dessenwillen man die Langeweile und den Ekel, das Erstaunen und die Verachtung, die Scham und die Traurigkeit, womit jeder Leser von gesunden Sinnen diese Lucinde von sich wirft, peinlich festhalten müsste“ – so der Beginn einer Rezension des Schlegelschen Romans. Hm. Ich denke, da hat sich jemand seinen epigrammatischen Anrempler redlich verdient?!
Formal ist dieses Distichon recht formstreng, meint: in enger Anlehnung an das antike Vorbild gebaut!