Wasser entstürzt den Wolken, in ungeheueren Mengen
Wirft aufs Dach, auf die Mauer, in den Hof hinab sich das Wasser,
Strudelt davon, hin zum Graben, und flutet hinein, dass er anschwillt;
Voll ist; und überläuft! und die Wasserfrau, die ein Schläfchen
Macht nach Stunden des Singens, im Flachen, nahe dem Ufer:
Trägt es in schäumender Woge den Weg hinunter, vom Schloss fort,
Immer weiter, bis schließlich, schon fast am Tintenfässchen,
Langsamer strömt, und sich breiter verteilt, und flach wird das Wasser,
Endlich im Boden versickert; und fort ist. Von seligem Schlummer
Gütlich umfangen liegt nun die Wasserfrau vor der Kneipe
Tür: die sich öffnet, und Schemel, der Narr, tritt hinaus in den Regen,
Sieht, was geschehn ist, und wendet sich um, und ruft nach dem Weinfass,
Welches zuvor geleert hat die fröhliche Runde der Zecher,
Ruft nach dem Karren, das Fass drauf zu hieven, nach Eimern voll Wasser,
Eifrig füllt er das Fass bis zum Rand! Und von seltsamen Pfaden
Kehrt sich das Denken der Wasserfrau, sie erwacht, blickt um sich,
Findet sich fern der Gewässer, an Land, und weiß nicht – „Ins Fass! Rasch!“
Ruft, laut! Schemel, sie tut es und taucht kopfüber ins Fass ein.
Schemel zieht nun den Karren den Weg zurück, und dem Schloss zu
(Rasch berichtet der Narr, was der Wasserfrau widerfahren)
Strebt das ungleiche Paar. Doch ach, da waren noch Reste
Weins gewesen im Fass, und der Wasserfrau wird ganz anders,
Fröhlich wird ihr; sie singt, doch nicht rätseltiefe Gesänge,
Wie sie’s gewöhnlich tut, erfüllt vom Blau ihrer Wässer –
Unanständigste Lieder von Wassermännern und -frauen,
Welche sogar dem Narren, der manche Derbheit gewohnt ist,
Schamrot leuchten lässt die Stirn und die faltigen Wangen!
Sehr erleichtert erreicht er den Graben, und hilft aus dem Fass nun,
Hilft vom Karren herab der Wasserfrau, und sie drückt ihn
Fest an den wogenden Busen, sie herzt ihn, sie dankt ihm, und endlich
Taucht sie vergnügt hinab in des Grabens beschauliche Tiefen.
Schemel aber, ihn schmerzen die Arme, und Beine, und alles
(Nicht nur vom Ziehen des Karrens, er spürt auch die feuchte Umarmung!):
Wankt zum Schloss; geht schlafen; und träumt verwegene Träume.
Archiv für den Monat Januar 2014
Bild & Wort (21)
Bücher zum Vers (10)
Michael R.G. Spiller: The Development of the Sonnet. An Introduction.
Wie der Titel vermuten lässt: Ein englischsprachiger Band, erschienen 1992 bei Routledge. Spiller behandelt, diesem Titel ensprechend, vor allem die Anfänge des Sonetts vom frühen, „sizilianischen“ Sonett bis Petraca, um dann nach England zu springen und die dortige Sonett-Entwicklung bis ins 17. Jahrhundert zu beschreiben. Alles gut geschrieben, wenn auch für einen deutschen Sonettisten die ersten Abschnitte die lesenswerteren sein dürften.
Auch bei Spiller wähle ich ein Beispiel aus dem Anfangsabschnitt, „The Sonnet and its space“(Seite 3), der die immer wieder gestellte und immer wieder zu stellende Frage „Was ist ein Sonett?“ deutlich bodenständiger angeht als der unter „Bücher zum Vers (5)“erwähnte Walter Mönch; wenn auch, irgendwie, ähnlich.
„Wann ist ein Sonett kein Sonett?“, wie Spiller es ausdrückt:
The short answer is that there is by custom a basic or simple sonnet, of which the others are variations: it has proportion, being in eight and six, and extension, being in ten- or eleven-syllable lines, and duration, having fourteen of them. Any poem which infringes one of these parameters will remind us of a sonett quite closely; a poem which infringes two will be more difficult to accomodate, but we will probably try to etablish some procedure to account for the deformation; an a poem which infringes all three will not be recognisable as a sonnet at all, and we will regard it as something else unless there is contextual pressure – if, for example, we found it in the middle of a group of normal sonnets. So a poem which contained twenty-one lines might establish itself as a sonnet if we noticed it was blocked out – by sense or rhyme or both – in twelfe and nine, inferring the rule: eight plus half of eight / six plus half of six. (…) If, then, the poem is structurally a variant of the basic sonnet, we can rest happy in calling it a sonnet, too.
Vernünftige Ansicht, das; mit der sich sinnvoll arbeiten lässt.
Erzählformen: Das Sonett (2)
Eigentlich müsste ich, wie es in Vorstellungen der anderen Erzählverse und -formen auch geschieht, eine Beschreibung des Sonetts geben; aber das wäre zu umfangreich und zu mühselig angesichts seines nur gelegentliches Auftauchen beim „Verserzähler“. Einer Form, die seit 800 Jahren in Gebrauch ist und ihren Weg in sämtliche europäischen Literaturen gefunden hat, ist mit einer kurzen Beschreibung nicht gerecht zu werden. Ich verweise also stattdessen auf den folgenden Eintrag und gebe nun Gottfried Keller das Wort, dessen „In der Stadt“ ein wunderbares Erzähl-Sonett ist:
Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge,
Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen
Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen,
Zu einem Knäul und lärmendem Gedränge.
Die Wachparad‘ mit gellen Trommelschlägen,
Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge,
Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge:
Das Alles stockt, kein Glied mehr kann sich regen.
Verstummt sind Geiger, Pfaff‘ und Trommelschläger;
Der dicke Hauptmann flucht, dass Niemand weiche,
Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug.
Doch oben, auf den Schultern schwarzer Träger,
Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche
Mit blinden Augen in den Wolkenflug.
Tomatensuppe
Sepp taut Omen,
Tom paust Epen –
Mona pupst Tee.
„Pupse?! Atemnot!!“
„Stopp! Atme neu:
Postume Paten
Pusteten am Po,
Potente Pumas
Pupsten Atome.“
Erzählverse: Der Hexameter (3)
Ein Mal, ein einziges Mal ist Thomas Mann der Prosa untreu geworden und hat sich, wie er es nennt, als „metrischer Dichter“ versucht. Das war, als er in den allerletzten Tagen des ersten Weltkriegs mit der Idylle „Gesang vom Kindchen“ begann, die von der im April 1918 geborenen Tochter Elisabeth handelt. Geschrieben hat Mann seine Idylle in Hexametern, und im „Vorsatz“ des Gesangs beschreibt er diesen Vers.
Einen Silbenfall weiß ich – es liebten ihn Griechen und Deutsche –
Mäßigen Sinnes ist er, betrachtsam, heiter und rechtlich;
Zwischen Gesang und verständigem Wort hält er wohlig die Mitte,
Festlich und nüchtern zugleich. Die Leidenschaften zu malen,
Innere Dinge zu scheiden, spitzfindig, taugt er nicht eben.
Aber die äußere Welt, die besonnte, in sinnlicher Anmut
Abzuspiegeln in seinem Gekräusel, ist recht er geschaffen.
Plauderhaft gibt er sich gern und schweift zur Seite. Besonders
War es ihm immer gemäß, wenn es häuslich zuging und herzlich.
Der letzte Vers ist sicher ein Hinweis auf Goethes „Hermann und Dorothea“, was Mann als Vorbereitung gelesen hatte, und die „Luise“ von Voß, die er erst lesen wollte, dann aber verworfen hatte – beides „häusliche“ Idyllen.
Jedenfalls, was Mann mit seiner Hexameter-Beschreibung sagen will: Der Hexameter ist ein epischer, ein erzählender Vers. Alles, was nicht anschaulich ist, ist ihm erst einmal fremd! Das kann man natürlich auch etwas weniger verschwurbelt ausdrücken als Mann.
Ulrich Hötzer schreibt etwa in „Grata negligentia“ – Ungestiefelte Hexameter“, seinen unbedingt lesenswerten Bemerkungen zu Goethes und Mörikes Hexameter, zu finden in „Der Deutschunterricht 1964“:
Mit stets gleichbleibender Gebärde stellt dieser Vers, unendlich gereiht, Welt vor den Leser oder Hörer hin, und der gleichartige, aber nie identische Rhythmus spricht stets dieselbe Bewusstseinsebene an: aus dem Abstand betrachtende Teilnahme.
Oder, noch einprägsamer:
Der Hexameter stellt dem Hörer Welt gegenüber als reine, ungemischte und ungebrochene Gegenwart.
Das ist ein Standpunkt, den man heutzutage nicht mehr so ganz oft einnimmt in der Lyrik – vielleicht zu unrecht. Thomas Mann jedenfalls scheint er der wesentliche Punkt beim Hexameter zu sein, viel wichtiger als etwa eine genaue Befolgung der Versbau-Regeln. Er schrieb angesichts von Kritik an seinem Versbau 1920 an die „Rupprechtspresse“, die eine Luxusausgabe der Idylle herausbrachte :
Es kam mir mehr darauf an, den Hexameter zu markieren und seinen Geist, der der Geist des Gegenstands war, spüren zu lassen, als darauf, schulgerechte Verse zu schreiben, von denen übrigens eine nicht geringe Anzahl, willkommen geheißen, wenn sie ganz leicht und von ungefähr sich einstellten, in dem Gedicht zu finden ist. Die in Kritiken viel erwähnte Holprigkeit der Verse ist, meinem besseren Wissen zufolge, nur scheinbar. Liest man die Rhythmen nicht als Hexameter, sondern frei, so lesen sie sich gut, wie sprachlich feinfühlige Leute mir bestätigt haben.
Hm. Also meiner Meiung nach behauptet Mann da gerade, dass es Sinn macht, eine bestimmte Verssorte zu schreiben und dann ihre Eigenarten unter den Tische fallen zu lassen. Das scheint ein wenig wunderlich, und ich fürchte, Mann hat einfach nicht genug geübt, bevor er loslegte … Wie schrieb er, nachdem er schon vier Monate an der Idylle gearbeitet hatte, doch so schön in sein Tagebuch:
Erst jetzt verstehe ich mich eigentlich auf den Hexameter. Ich bin in dies kleine Unternehmen mit einer unglaublichen metrischen Ahnungslosigkeit hineingegangen. Irgendwie genau genommen, sind mindestens die Hälfte der Verse horribel. Hoffentlich hält man’s für freie Absicht.
Jaja. Aber das alles beiseite und vergessen: So schlecht sind Manns Verse dann auch nicht. Die Anschaulichkeit, der Geist des Gegenstands, ist immer da und oft eindrucksvoll; und dass Manns Hexameter nicht wie die von Goethe klingen, scheint zumindest mir verständlich angesichts der über 100 Jahre, die zwischen „Hermann und Dorothea“ und dem „Gesang von Kindchen“ liegen. Als Beispiel und Beleg hier noch einige Verse aus dem Abschnitt „Krankheit“, beginnend mit der Diagnose des Arztes:
Fluss des Mittelohrs, also lautet betrüblich sein Wahrspruch.
Da galt es pfleglich vorzugehen und nach der Verordnung:
Wasserstoffsuperoxyd, das dumpf und brodelnd im Ohr braust,
Einzulassen, so dass du betäubt die Augen verdrehtest,
Linderndes Öl, nicht zu kühl, doch um Gott auch wieder zu heiß nicht,
In den winzigen Hörgang zu träufeln, wo reißend die Qual dir
Nistete, und mit wärmender Watte den Eingang zu schließen.
Wasserstoffsuperoxyd. Heute nennt man das eher Wasserstoffperoxid, und es ist die wortgewordene Verortung der Idylle im 20. Jahrhundert. An den Schluss stelle ich noch ein Zitat Manns, das den Bogen schlägt wieder zum Anfang dieses Eintrags:
Hexameter und Grübelei ist jedenfalls ein Widerspruch. Der Vers verlangt klare, gesunde Gedanken.
Entnommen ist das Zitat, wie auch die beiden vorigen Zitate aus Brief und Tagebuch, den wichtige Auskunft gebenden „Nachbemerkungen des Herausgebers“, womit gemeint ist: Peter de Mendelssohn, der die „Gesammelten Werke“ Thomas Manns bei Fischer verantwortet hat; aus dem Band „Späte Erzählungen“ (!981) habe ich auch die Ausschnitte der Idylle übernommen – der erste findet sich auf den Seiten 102 und 103, der zweite auf Seite 119.
Bild & Wort (20)
Erzählformen: Das Distichon (3)
In Rudolf Borchardts „gesammelten Werken“ (Klett-Cotta 1957) steht im Band „Gedichte“, auf Seite 163, das strophische, gereimte „Auf eine angeschossene Schwalbe, die der Dichter fand“. Auch ein bedenkenswerter Text:
Wie sich in meiner Hand, die Wärme flößt,
Das lebensschwarze Auge wundert!
Ich bin nicht Gott, der dich verstößt
Wie hundert jeden Tag und aberhundert, –
Das ist eine Strophe daraus, so liest es sich. Drei Seiten und zwei Gedichte weiter folgt dann der Text, um den es hier eigentlich geht, traurigerweise die „Grabschrift der Schwalbe“. Die ist, wie es seit frühester Antike üblich ist, in Distichen geschrieben!
Ich, die verwundete Schwalbe, drei Tage des Menschen Genossin,
Sahe den schrecklichen Tod freundlicher werden und starb:
Schwestern im Blau, fliegt schweigend hier überhin, wo sich das Geistlein
Schüttelt und ringt nach Ruf, wenn es euch Rufende hört.
Gönnt mir Schweigen und singt, singt anderswo, wenn ihr das Meer wagt:
Nicht ganz, nicht ganz stumm flattert ich eine beiseit.
Ein auch und gerade in seiner Wortbewegung starker Text!? Große Bögen, und immer ein unbedingtes Vorwärtsschreiten, das aber immer wieder anders klingt in den Einzelheiten. Zwei Stellen scheinen mir erwähnenswert, einmal der zweite Hexameter:
X x x / X || x / X x | x / X x x || X x x / X x
Schwestern im / Blau, || fliegt / schweigend | hier / überhin, || wo sich das / Geistlein
Ein Vers, in dem sich die Satzeinschnitte, die ich hier als „||„, also als Hauptzäsuren gekennzeichnet habe, und der eigentliche Verseinschnitt, „|„, einmal nicht decken?! Außerdem ist die Betonung von „überhin“ leicht verwirrend, jedenfalls für mich, der ich dieses Wort so nicht kenne und benutze.
Der zweite einer Bemerkung werte Vers ist der dritte Pentameter:
X x / X x / X || X x x / X x x / X
Nicht ganz, / nicht ganz / stumm || flattert ich / eine bei- / seit.
Das wegen seiner ersten Hälfte, die, leicht unüblich, mit zwei zweisilbigen Einheiten beginnt; da diese mit den beiden „ganz“ aber auch eine stark besetzte Senkungsstelle aufweisen, ergibt sich zusammen mit den drei gleichfalls kräftigen gehobenen Silben „Nicht“, „nicht“, „kommt“ ein fünfsilbiger, langsamer, getragener Wortblock, der die Bewegung des Verses wie des
gesamten Textes noch einmal deutlichst aufstaut, ehe dann in der zweiten Hälfte die Spannung sich löst und das Gedicht ausklingt; die Schwalbe „beiseit geflattert“ ist. Große Verskunst von Borchardt!
Da macht es dann auch nichts, dass der Text nur bedingt „erzählt“.
Das Königreich von Sede (19)
Prinz Klappstuhl tritt zum Grabenrand,
Ein dickes Buch in seiner Hand,
Daraus den Fröschen vorzulesen;
Das schlägt er auf, und was gewesen,
Als Boden Sedes König war
So manches längst vergang’ne Jahr,
Zuerst im Glück, doch dann im Leid,
Im Wahnsinn schließlich, lange Zeit –
Der Prinz trägt’s vor, mit klarer Stimme
Nennt er das Gute und das Schlimme,
Und Krieg und Frieden, Lieb‘ und Hass
Beschreibt er ohne Unterlass
Den Fröschen, die im Wassergraben
Sich dicht gedrängt versammelt haben,
Bis endlich, als die Sonne sinkt
Und Dunkel alles Licht verschlingt,
Das Buch sich schließt, und Klappstuhl schweigt;
Und versetrunken sich verneigt.
Erzählverse: Der Blankvers (16)
Dieses Mal möchte ich eine längere Verserzählung in Blankversen vorstellen: Christoph Martin Wielands „Geron der Adeliche“ (nach altem Vorbild) aus dem Jahr 1777, hier in der Fassung von 1796. Wieland kennen viele heute gar nicht mehr, aber ich finde, er ist jemand, dem man unbedingt zuhören sollte – auch seiner Prosa, aber vor allem seinen Versen. Die sehen trügerisch einfach aus und sind doch alles andere als das!
Los geht es mit einer Rahmenhandlung: König Artus hält im Freien Hof, als ein unbekannter „schwarzer Ritter“ auftaucht und die Anwesenden auffordert, „einen Ritt mit mir zu tun“.
Der König Artus und die dreißig Ritter,
Die um ihn standen, allesamt Genossen
Der Tafelrunde, waren nicht die Männer,
Die sich um sowas zweimal bitten ließen;
Und statt der Antwort liefen alle stracks
Den Bäumen zu, wo ihre Lanzen hingen, und
Die Knappen bei den hohen Rossen standen.
Und Artus und die Ritter alle schwangen
Auf ihre Rosse sich, den Schild am Arm,
Den Speer gefällt, und ritten nach dem Plan,
Wo seinen Stand der fremde Ritter schon
Genommen hatte. König Artus ritt
Der erste. Beide legten ihre Lanzen ein,
Bedeckten mit dem Schilde sich, und rennten
Die Rosse spornend auf einander los,
So mächtig, dass die Erde unter ihrem Stampfen
Erbidmete; und, wie sie nun im Sturm
Zusammentreffen sollten – hielt
Der Fremde seinen Speer hoch in die Luft,
Und fing den derben Stoß des Königs auf
Mit seinem festen Schilde, dass die Lanze
Vom Gegenschlag in tausend Splitter brach,
Und König Artus kaum mit Arbeit sich
Im Bügel fest hielt. Aber unerschüttert saß
Der schwarze Ritter, und, sobald sein Ross
Sich ausgelaufen, schwenkt‘ er, ritt zum König
Hinan, und sprach gar ehrbar: „Edler Herr,
Dass wollte Gott nicht, dass ich meinen Speer
Gebrauche gegen euch! Gebietet mir
Als einem, der zu eurem Dienst aus Pflicht
Und gutem Willen sich gewidmet hat.“
Ein paar ältere Spracherscheinungen sind drin, etwa „(er-)bidmen“ = „(er-)beben“, aber fließt die Sprache nicht wunderbar durch die Verse?!
Der schwarze Ritter besiegt alle Ritter der Tafelrunde und gibt sich dann als Branor zu erkennen, ein wahrlich alter Kämpe:
„Herr König, hundert Jahre schon und drüber
Hab ich erlebt, hab manchen guten Mann
Auf seiner Amme Schoß gesehen, manchen bessern
Begraben helfen. …“
Danach erzählt Branor die eigentliche Geschichte; Gerons. Der war seinem Freund Danayn tief verbunden, durch Liebe und Todesbund; doch dessen Vermählte, die Frau von Maloank, verliebt sich in Geron, und auch andersherum ist sie Gernon nicht gleichgültig; doch aus Treue gegenüber seinem Freund wehrt er alle Angebote ab. Als er dann aber in Danayns Abwesenheit die Frau von Maloank aus den Händen eines Entführers rettet und mit ihr allein ist, wird er doch schwach – sie rasten an einem Brunnen, er legt die Rüstung ab und will zur Geretteten treten; da fällt sein Schwert in den Brunnen, Geron birgt es und kommt zur Besinnung:
„Wo bin ich? – Gott im Himmel! Welche Tat
Zu tun kam ich hierher?“ Die Knie erschlafften ihm
Vor dem Gedanken. Und, sein Schwert noch in der Hand,
Setzt auf den Brunnen er sich hin, der Frau
Den Rücken kehrend, kummervoll, und sinkt
Aus einem traurigen Gedanken in den andern.
Und wie die Dame, die noch kaum zuvor
Ihn froh und wacker sah, so plötzlich ihn
In solche wunderbare Schwermut fallen sieht,
Erschreckt sie des, und weiß nicht, was davon
Sie denken soll. Und um zu sehen, was ihm ist,
Geht sie mit leisen Schritten furchsam hin
Und spricht zu ihm: „Mein Herr, was sinnet ihr?“
Und Geron, ohne ihr zu achten, blickt
Mit starren Augen auf sein Schwert, und gibt
Ihr keine Antwort. Lange harret deren
Die holde Frau, und da er keine gibt,
Tritt sie noch näher hin und wiederholt
Mit sanfter Stimme: „Lieber Herr, was sinnet ihr?“
Und tief erseufzend „Was ich sinne?“ spricht
Der Ritter, „so erbarme Gott im Himmel
Sich meiner Seele, Frau, als ich nach dem,
Was ich an meinem Bruder Danayn
Begangen, länger nicht zu leben würdig bin!“
Dann stößt er sich das Schwert durch den Leib, sie verhindert, dass ers nochmal tut, Danayn erscheint und will helfen, Geron verweigert die Hilfe, nimmt sie schließlich doch an und gesundet nach und nach; für die Frau von Maloank war das alles aber zuviel, sie bekommt hohes Fieber und stirbt drei Tage später – Ende der Geschichte.
Erzählt hat sie Branor sicher nicht unabsichtlich in der Gegenwart von Königin Genievra und Lancelot:
Die Königin, die, während er erzählte,
Bald todblass worden war, bald feuerrot,
Rief, ihre Unruh zu verbergen, seufzend aus:
„’s ist eine traurige Geschichte! „Und wie ging’s
Nun eurem Geron weiter?“ – fragte Lancelot.
„Nach der Geschichte“, spricht der alte Branor, „hab
Ich nichts mehr zu erzählen.“
Rittergeschichten also … Muss man nicht mögen. Ich tu’s, aber selbst, wenns anders wäre; diese Szene am Brunnen hätte sich mir auf jeden Fall eingeprägt. „Mein Herr, was sinnet ihr?“
Und der Einstieg, der „Ritt“ von Artus und Branor – ganz große Verskunst!